RVVCyclo 2017 – Die Flandernrundfahrt
De Ronde, Flandernrundfahrt, Ronde van Vlaanderen dieser Frühjahrsklassiker hat viele Namen und findet international Beachtung. Genau wie auch Paris-Roubaix ist die Ronde ein Rennen aus einer anderen Zeit. Diese Rennen gab es schon vor hundert Jahren und sie sind in der jeweiligen Region mit einem der höchsten Feiertage gleichzusetzen. Ausnahmezustand, Euphorie für den Radsport und Nationalstolz wohin man sieht.
Da ich mich über die vergangenen Jahr vom passionierten Downhiller zum Cyclocrosser entwickelt hatte, keimte nun auf einmal die Idee in mir, warum denn nicht einfach mal eines dieser Monumente mitzunehmen. Am Anfang versuchte ich diese Idee zu verdrängen, doch auch dank meiner Arbeit, die mich regelmäßig in Richtung Flandern führte wurde mir diese Idee und die dortige Rennradkultur immer wieder vor Augen gehalten, sodass ich im Sommer des vergangenen Jahres final den Entschluß fasste mich für die Flandernrundfahrt am Touristentag anzumelden.
Bei der Anmeldung standen vier verschiedene Streckenlängen zur Auswahl. 75km, 140km, 180km und 230km. Da diese Rundfahrt neben dem Erlebnis für mich auch ein Ansporn werden sollte vor allem über den Winter ein bisschen was für die Fitness zu tun, entschied ich mich für die 180km Variante, welche nachher noch auf 204km verlängert wurde.
Nachdem ich mich über den kompletten Winter also vorbereitet hatte – mehr dazu gibts in den vorangegangenen Artikeln, war es endlich soweit. Ein Großer Dank geht auch an dieser Stelle nochmal an Focus Bikes, Schwalbe und SQ Lab, die mir bei der Zusammenstellung eines perfekten Flandernbikes geholfen haben.
Die Anreise nach Flandern, 6,5h Autofahrt. Es war keine Aufregung aber schon eine gewisse Angespanntheit zu spüren. Ich war gut vorbereitet, fitter als ich in den vergangenen 10 Jahren jemals war. Aber 204 km noch dazu mit diesem Profil sind kein Zuckerschlecken. Zudem die Fragen, wird das Material halten, habe ich die richtigen Klamotten dabei, wie vermeide ich, mich zu früh auszupowern und was machen die anderen 15999 Teilnehmer um mich herum?
Mit zwei Kindern daheim will so ein Ausflug gut organisiert sein. Zum Glück konnten wir Oma und Opa engagieren, über das Wochenende, auf die beiden Satansbraten aufzupassen und so konnten meine Frau und ich bereits am Freitag morgen Richtung Flandern aufbrechen. Auf der Fahrt irgendwann zwischendurch sagte dann meine Frau: „Ich bin ja mal gespannt ob diese Flandernrundfahrt eine einmalige Geschichte wird oder ob du danach an sowas Blut geleckt hast, und ich solche Fahrten mehrmals im Jahr mitmachen muss.“ Ein Satz, der auch heute noch 2 Wochen danach bei mir im Kopf rumgeht, denn um es vorab zu sagen, ich bin aktuell quasi täglich auf der Suche nach Events und Rennen die noch in meinen diesjährigen Kalender passen.
Letzte Vorbereitungen
Wir sind gleich am Freitag noch zur Registration, Nummer abholen und danach ab ins Hotel nach Kortrijk. Am späten Nachmittag dann noch in die Stadt und dort zum Abendessen.
Da am Samstag morgen um 5:15 Uhr mein Shuttle in Oudenaarde Richtung Antwerpen abfuhr musste ich bereits um 04:00 Uhr aufstehen, anziehen und dann von Kortrijk Richtung Oudenaarde fahren. Vielen Dank an meine Frau an dieser Stelle, die diesen Fahrdienst gerne mitgemacht hat.
In Antwerpen angekommen ging es dann Richtung Start und man reihte sich mit hunderten anderen in die Startreihen ein. Bis dahin war es trocken und auch laut diverser Wetterapps auch trocken gemeldet. Einige waren sogar in Kurz/kurz unterwegs. Kurz nach sieben rollte dann die Masse los und man fuhr gemütlich über den lokalen Marktplatz über den Start und schon war ich mittendrin. Mittendrin mit tausenden anderen vor mir und hinter mir.
Start mit Regen
Schon nach ca. 5 Minuten Fahrzeit fing es ohne jegliche Vorwarnung an zu regnen. Ich hatte zum Glück eine halbwegs wasserabweisende Jacke an, sodass ich zunächste recht trocken blieb, doch auf die Dauer sickerte das Wasser vom Regen und von den vorfahrenden überall hin.
Ich hatte mir fest vorgenommen es wirklich locker anzugehen und mir die Kräfte einzuteilen, mir schwebten die ganzen Tipps im Hinterkopf – nutze jeden Windschatten, viel essen, viel trinken. Plötzlich fand ich mich jedoch selbst dabei wieder, zu schauen von Gruppe zu Gruppe zu springen und mich an jeden vorbeifahrenden Zug dranzuhängen.
Ein Fehler? Nein, ich ich schaffte es auf den ersten 100km gut Tempo mitzunehmen aber nicht zu überpacen, sodass mehr als genug Power für die Hellinge da war. Die erste Verpflegung nach ca. 45km ließ ich aus, ich hatte selber genug dabei. Erst nach ca. 70km nahm ich dann das Angebot wahr und versorgte mich mit Riegeln, Bananen, Honigbrot und füllte meine Getränke auf.
Ehrenrunde
Dann kamen die ersten Kopfsteinpflaster, etwas worauf ich mich tatsächlich trainingstechnisch nicht wirklich vorbereitet hatte. Das Rad funktionierte super und ich hatte auch mit den Schwalbe G-One Speed Reifen die ich tubeless fuhr, die absolut richtige Wahl getroffen. Doch schon nach den ersten 500m hatte sich bereits die erste Flasche verabschiedet. Anhalten, aufheben und von nun an langsamer fahren war angesagt, etwas extrem nerviges und was ich komplett unterschätzt hatte und beim nächsten Mal weiter oben im Fokus stehen wird. Im Eifer fuhr ich dann der Gruppe hinterher und sah plötzlich, dass ich laut meinem Wahoo Element nicht mehr auf der richtigen Route unterwegs war. Ich war aber noch im Trupp unterwegs und nicht komplett ab vom Weg.
Doch bis mir klar wurde, dass ich nun anscheinend auf der ersten Extra Schleife unterwegs war, die die Teilnehmer der 237km Runde zu fahren hatten, war es auch schon zu spät und wir waren wieder auf der Gemeinschaftsstrecke. Dieser kleine Ausflug erklärt dann auch warum ich statt 204 km 214km gefahren bin.
Hellinge
Nach knappen 100km Anlauf ging es nun in die Hellinge, viele kleine dafür aber steile Rampen, die einem die Kraft einfach so aus den Beinen ziehen. Meine Strategie war von Anfang an klar, im flachen versuchen mitzuhalten und es laufen lassen aber an den Bergen nicht versuchen sich auf das Tempo anderer einzulassen, so nahm ich oftmals komplett das Tempo raus, schaltete runter und strampelte in einem lockeren Tempo die Rampe hoch.
Hier merkte man wie wichtig den Flandriens die Ronde ist, schon am Touristik Tag war an der Strecke einiges los, in vielen Vorgärten wurde gegrillt, man saß am Straßenrand und feuerte die sich vorbeischiebenden Massen an. An den Bergen mit den Großen Namen waren noch die letzten Vorbereitungen in den Festzelten und Bierwägen zugange aber auch hier warteten schon dutzende Leute.
Die drei Hauptberge meiner Route waren der Koppenberg, Paterberg und der Oude Kwaremont. Koppenberg und Paterberg konnte ich leider aufgrund meiner Strategie nicht bis oben hin durch fahren, da ich von den vorderen und dem vielen Verkehr ausgebremst und zum schieben gezwungen wurde.
Und hier wird auch schnell klar warum die Flandernrundfahrt unter den Profis aber auch unter den Amateuren so beliebt aber auch eine solche Herausforderung ist. Diese fiesen Stiche auf Kopfsteinpflaster gepaart mit dem Enthusiasmus der anderen und der Zuschauer drumherum machen das ganze Ereignis zu einer wirklich harten aber unglaublich euphorisierenden Erinnerung, die süchtig macht.
Nach und nach zählte ich die Berge runter, die da noch kamen auf meinem Oberrohr wurden es immer weniger und wir fuhren langsam aber sicher auf die letzten 15km Richtung Ziel zu. Vor diesen hatte man mich ebenfalls gewarnt, vor allem bei Gegenwind könnten diese letzten KM zu einer wahren Tortour werden, doch zum Glück war hier Rückenwind angesagt und ich hatte mir meine Kräfte gut eingeteilt. So gut, dass ich am Ende auch noch mit einer Gruppe Richtung Ziel mitziehen konnte und wir mit knapp 42kmh dem Ziel entgegen rollten.
Geschafft!
Im Ziel angekommen muss man sich erstmal durch die Massen arbeiten die vor Ort noch posieren und die vergangenen KM miteinander bereden mussten. Dann gehts einmal quer durch den Ort über den bevölkerten Marktplatz hin zum Qubus, wo das offizielle Ziel ist und man seine Nummer wieder abgegeben konnte. Dort traf ich mich dann auch endlich wieder mit meiner Frau, die ich unterwegs mit dem ein oder anderen Bild versorgt hatte, die aber auch auf meiner eigenen Flandernrundfahrt Seite bereits nachverfolgt hatte wo ich mich gerade befand.
Ohne den Mund zu voll zu nehmen war ich im ersten Moment ein wenig enttäuscht, dass ich nicht gleich die Große Runde gewählt hatte, denn die Kraft hätte auch dafür definitiv gereicht. Wir tranken vor Ort ein paar Bier, genossen ganz Flandern typisch ein paar Frites und fuhren dann langsam wieder zurück zum Hotel wo ich dann auch um punkt halb neun auf dem Bett vorm TV einschlief.
Ein Langer und ereignisreicher Tag war vorbei und hatte viel Kraft gekostet, aber gleichzeitig auch viel Motivation geschürt.
Und nun?
Wie bereits vorher berichtet hatte meine Frau ja die Theorie in den Raum gestellt, dass ich durchaus Blut an solchen Fahrten lecken könnte und sie von nun an regelmäßig zu solchen Ereignissen mitkommen muss. Eins ist jedenfalls klar, nächstes Jahr bin ich wieder am Start und ich nehme die Große Runde in Angriff. Schön wäre es, wenn ich den ein oder anderen noch zum mitfahren überreden könnte. Was ebenfalls ins Auge gefasst ist, ist am darauffolgenden Wochenende bei Paris Roubaix am Start zu sein. Diesmal allerdings mit besseren Flaschenhaltern 😉 Aktuell bin ich aber noch auf der Suche nach einem Ziel für diesen Herbst sowas im Oktober würde mir gut reinlaufen, damit ich motiviert bin, meine aktuelle Fitness über den Sommer zu retten. Gibts Vorschläge?
Dirty Boar wäre ein Tipp. Ist aber im September und ohne Publikum.